Oriole

(Oriolus oriolus)



Im Interview: Dominik Eulberg

Lebensweg: Dominik Eulberg, 1978 in Westerburg geboren, verlebte eine fernsehfreie und naturnahe Kindheit. Übers Radio lernte er Technomusik kennen und fand über das Spiel mit Synthesizer- Klängen selbst zur elektronischen Musik. Inzwischen füllt er mit seinen Kompositionen, in die er Naturgeräusche einarbeitet, weltweit Dancefloors und Clubs. 2004 wurde Eulberg zum Newcomer, 2005 zum Produzenten des Jahres gewählt, 2007 erhielt er für das Album "Heimische Gefilde" den Preis der deutschen Schallplattenkritik. An der Uni Bonn studiert er ökologische Geografie.

Sie wandern gern? "Ich empfinde das wie die Japaner, die dafür das wunderbare Sprachbild haben: in der Waldluft baden gehen. Treffender kann man dieses völlige Eintauchen nicht beschreiben."

Treibender Rhythmus, wummernde Bässe und elektrische Sphärenklänge - das ist der Sound der Technomusik, die in internationalen Club-Dancefloors aufgelegt wird. Was dort das "Stelldichein des Westerwälder Vogelchores" zu suchen hat? Keine Frage: So ein Gezwitscher wäre in der Szene hoffnungslos verloren, wenn es DJ Eulberg nicht gäbe. Er setzt die Große Rohrdommel an die Bassdrum, den Specht ans Schlagzeug, den Eichelhäher an den Noise-Generator: Er importiert die Tierklänge seiner Heimat mit einem Riesenerfolg mitten in die Beschallungsanlagen großer Großstadt- Clubs. Und exportiert seinen deutschen Natursound inzwischen weltweit.

Der Topstar der Techno-Szene als Öko-Missionar im Großstadtdschungel? "Um Himmelswillen, nein!" lacht der Dreißigjährige und wedelt sich mit einem Kopfschütteln die blonden Haare aus den Augen. "Die Leute wollen einfach nur gute Musik, keinen Biologieunterricht - aber sie wollen eben auch viel mehr als sich nur zudröhnen." An dieser Stelle wird er dann doch streng wie ein Lehrer. Ihn ärgern die Vorurteile, "dass man Techno immer gleich in diese Drogen- Schublade steckt". Wenn Musik bewusstseinserweiternd wirkt, sagt er, dann braucht es dazu kein Einnehmen oder Einatmen berauschender Stoffe - das läuft alles über die Ohren. Dominik Eulberg mixt Sehnsüchte mit Phantasie, in seinem Stück "Traum vom Fliegen" zum Beispiel, wo freilich um die Ecke, im nächsten Track, schon die "Löwenzahn-Luftwaffe" lauert. Seine Klanggemälde sind manchmal einen Schuss bizarr, oft erstaunlich sanft, aber immer schrecklich schön. Sie entführen die Großstadt-Clubber mental hinaus aus ihrem engen Alltag vielleicht nicht direkt ins deutsche Mittelgebirge - eher in ein naturnahes Märchenland: "Letztlich sammle ich keine Tierstimmen oder Geräusche, sondern ich sammle Gefühle". Sein erstes Album nannte Eulberg "Flora und Fauna", das zweite "Heimische Gefilde". Seine Musikstücke haben Titel wie "Bionik", "Die Trottellummen von Helgoland", "Björn Borkenkäfer" oder "Die Rotbauchunken vom Tegernsee".

Beim oberflächlichen Hören mag die Musikrichtung "Techno" cool und gleichförmig wirken, tatsächlich ist sie eines der abwechslungsreichsten Genres der Popmusik - eine gigantische Spielwiese. Da wird gesamplet, verfremdet, abgekupfert, transformiert, was das Zeug hält. Alles ist erlaubt, wirklich alles. "Wie, wie-wie-wie, wie hab ich dich lieb!" Der fiepsende Singsang stammt nicht aus dem Musikantenstadl, ist auch kein alter Schlager, sondern der Originalsound einer Goldammer, den Eulberg in ein Techno- Techtelmechtel verwandelt hat: Track 7 des Albums "Heimische Gefilde". Normalerweise kriegen Technofans auch kaum einmal die Stimmen ihrer Stars zu hören, da die meisten Titel instrumental sind und Stimmanteile elektronisch verfremdet werden. Eulberg hingegen erteilt auf dieser CD in gemütlichem Westerwäldisch Nachhilfe in Naturkunde. Es klingt fast wie der gute alte Schulfunk, wenn er das Balzgebaren der Gelbbauchunke schildert, über den Nützling Rote Waldameise oder den Schädling Borkenkäfer informiert. Danach lauscht man aufmerksamer, wenn man im folgenden Track Björn Borkenkäfer höchstpersönlich mit strammen Elektrobeats über Äste krabbeln hört. Zehn in Deutschland beheimatete Tiere, die ihm besonders am Herzen liegen, stellt Eulberg so vor. Das ist keine billige Masche. Er ist kein Musiker, der die Natur als Gag-Quelle entdeckt hat, es war bei ihm umgekehrt: Dominik Eulberg ist ein Naturfreund, der erst in der zweiten Hälfte seines bisherigen Lebens zur Musik gefunden hat. "Als Schüler hörte ich 1993 zum ersten Mal Techno und war sofort begeistert, ohne dass ich vorher irgendwas mit Musik am Hut hatte." Er stammt aus einer naturverbundenen Familie. Sein Großvater zog als Jäger durch den Westerwald, sein Vater war Biologielehrer. Dominik wuchs mit seinen beiden Geschwistern in Westerburg auf. In und mit der Natur, wo sie jedoch alles andere als unberührt ist. Große Teile der Landschaft sind zersiedelt, zerschnitten von Verkehrswegen, Abfallwirtschaft, Industrie. Hier sind seine Wurzeln, hier verarbeitet er seine Ideen im eigenen Studio, hierher kommt Dominik Eulberg von seinem Wohnsitz in Bonn für zwei Tage die Woche, an den Rand eines kleinen Dorfs, auf halber Strecke zwischen Köln und Frankfurt, knapp außerhalb der Hörweite von Autobahn und ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecke. Eulberg schwärmt von der "Westerwälder Seenplatte", das sind sieben große Fischteiche, die im 17. Jahrhundert angelegt wurden und heute zahlreichen Wat- und Sumpfvögel Lebensraum bieten. Dort streift er oft umher. Seine Freundin begleitet ihn zwar gern - "sie kommt aus dem Harz. Mit einer Großstädterin könnte ich mich nicht annähernd so gut verstehen" - am liebsten aber wandert er allein: "Wer nur mit sich unterwegs ist, nimmt einfach mehr wahr". Wichtiger noch als das Beobachtungsfernrohr ist dem Musiker sein Audiorekorder, mit dem er vor allem Vogelstimmen aufzeichnet. "Man hört nur, was man kennt", stellt er fest.

Manchen Sound kennt man eher aus dem Kino als aus dem Wald. Schon Alfred Hitchcock ließ in seinen Filmen gern den Eistaucher auftauchen: Sein gellender Schrei ist seither ein gern genutztes Horrorfilm-Accessoire. Der Eistaucher ist Eulbergs Lieblingsvogel, deshalb muss er ihn jetzt gleich vorführen, in seinem Westerwälder High- Tech-Studio, zwischen all den elektronischen Klangzaubergerätschaften. Verzückt klickt er "Eistaucher" als Audiofile an. An der Wand hängen große Bilder mit arktischer Ozeanszenerie, dazwischen haben Opas eigenhändig ausgestopfte Tierpräparate - diverse Vögel, ein Hecht und ein Mufflon - das Studio fest im Blick. Eulberg regiert sein Ökotechnoreich über zwei parallel laufende Computermonitore - und ja: mit einem Hauch Hall wird der Schrei des Eistauchers noch eine Idee gruseliger. Wenn er nicht hier ist, pendelt der Komponist zwischen seinem Wohnort Bonn, dem Büro seines Managements in Köln und seinen Engagements in aller Welt. Weite Reisen bedeuten für ihn deshalb nicht Urlaub. "Ich erhole mich sowieso am allerbesten in der deutschen Natur", erklärt er. Eulberg ist bodenständig - auch was seine Karriere angeht. "Ich lasse mir zwar Zeit und sehe das als großen Luxus, aber ich will natürlich nicht ewig Platten in Clubs auflegen." Darum studiert er an der Uni Bonn ökologische Geografie. Nach seinem Diplom will er professionell in den Naturschutz einsteigen. Aber wer weiß? Im Moment ist er fasziniert vom Thema Filmmusik, davon, Klänge bezogen auf bewegte Bilder zu entwickeln. Mehr verrät er nicht. Ob es mit Gruseln zu tun hat? Könnte schon sein, siehe Eistaucher. Vorerst geht es allerdings eher um Erotik - wie etwa bei der Feldgrille: "Es zirpen nur die Männchen, zumeist am Eingang der selbst gegrabenen Erdhöhle, um die weiblichen Schönheiten höflich zur Begattung herein zu bitten." Ganz schön sexy, so ein Öko-Techno.